Mit scharfem Verstand und stumpfer Klinge – fünf HEMA-Kämpfer gehen beim Flügelschlag an den Start

Mit einem lauten Klirren kreuzten sich am vergangenen Samstag bei den Highland-Games die Klingen. Der Flügelschlag, das traditionelle HEMA-Turnier des ASV Ludwigsburg, war eröffnet. Auch fünf Herrenberger Kämpfer zogen mit ihren Langschwertern in der Barockstadt ins Gefecht.

HEMA steht für „Historical European Martial Arts“ und beschreibt die Wiederentdeckung und das Studium historischer europäischer Kampfkünste, die vom Mittelalter bis zur Renaissance praktiziert wurden. Anders als man es von den Showkämpfen auf Mittelaltermärkten kennt, geht es beim HEMA jedoch nicht um eine Inszenierung des Kampfes, sondern um den direkten sportlichen Wettbewerb im Umgang mit dem Langschwert und anderen historischen Waffen. „Ein Körpertreffer bedeutet einen Punkt, ein Kopftreffer sind zwei Punkte“ erklärt Marcel Blanck, der gemeinsam mit David Gill die rund 15 Mann und Frau starke HEMA-Gruppe in Herrenberg trainiert. Auch für das Entwaffnen des Gegners oder das Herausschieben aus der Wettkampffläche gibt es Punkte. Dass die Herrenberger historischen Fechter die mittelalterlichen Techniken bestens beherrschen, zeigen ihre zahlreichen Erfolge. So manche Topplatzierungen auf diversen Turnieren in Deutschland konnten die Gäu-Sportler bereits erringen. In Ludwigsburg sind die meisten von ihnen jedoch nicht vollends mit ihrer Leistung zufrieden. Michael Ziemann, Nathanael Schwertfeger, David Gill und Marcel Blanck gewinnen zwar einige ihrer Duelle, den Pool-Sieg und damit den Einzug ins Viertelfinale verpassen die vier jedoch. Einzig Nadine Wuttke gelingt es sich bis an die Spitze ihres Pools zu kämpfen – und dies auf spektakuläre Art und Weise.

Jeder Kampf beginnt mit einem Gruß, ehe einer der zwei Ringrichter den Athleten „Kämpft“ zuruft und die beiden Kontrahenten mit dem Versuch beginnen den jeweils anderen mit ihrem Schwert zu treffen. Ein lautes „Stopp“ ertönt, wenn die Kampfrichter einen Treffer gesehen haben. Die Sportler gehen auf ihre jeweiligen Seiten zurück und die Offiziellen verkünden wer den Punkt erhält. Im Falle von Nadine Wuttkes Vorrundenkämpfen, war dies eine recht einseitige Angelegenheit. Drei ihrer fünf Gegner besiegte sie, ohne auch nur einen Treffer selbst einstecken zu müssen, die anderen mit ordentlichem Vorsprung. Mehrere Gefechte beendete Nadine mit einem sauberen Kopftreffer. Kopftreffer – klingt brutal, ist es jedoch nicht, wie Blanck deutlich macht: „Wir kämpfen mit stumpfen und im Stich flexiblen Fechtfedern aus Stahl nach historischem Vorbild. Zudem tragen wir einen Vollkörperschutz, da tut ein Treffer nicht sehr weh“. Dass nicht die rohe Gewalt, sondern Taktik und Jahrhunderte altes Wissen über Sieg und Niederlage entscheiden, zeigt auch der Viertelfinaleinzug von Nadine Wuttke. Als nun einzige Frau ist sie mit den vier anderen Poolsiegern, sowie drei Wild-Cards noch im Rennen. Eine Wild-Card gibt es in Ludwigsburg für die schönste Technik, den witzigsten Bestechungsversuch und die meisten Fairness-Punkte. Der gemeinschaftliche und faire Umgang ist eines der Markenzeichen dieser Sportart. Nicht selten kommt es vor, dass ein Athlet die Hand hebt und den Kampfrichtern anzeigt, dass er gar nicht getroffen hat, sodass der Punkt annulliert wird. Dazu kam es im Viertelfinalkampf von Nadine Wuttke allerdings nicht – sie musste sich mit 5:10 Punkten geschlagen geben.

Alle fünf nehmen wichtige Erkenntnisse für die kommenden Trainings mit, bei denen auch „neue, interessierte Menschen jederzeit willkommen sind“, so Blanck. Die Abteilung des Judo-Club Herrenberg trainiert jeden Montag und Mittwoch – einige treffen sich darüber hinaus auch am Wochenende in den Stadtparks rund um Stuttgart mit weiteren Fechtern aus der Region zum gemeinsamen Sparring. Die optimale Vorbereitung, um beim nächsten Turnier lange vergessene Kampfkünste mit jedem Hieb und jeder Parade wieder lebendig werden zu lassen.

Herrenberger Duell: Marcel Blanck (li.) gegen Michael Ziemann (re.)

Marcel Blanck (re.) setzt einen Körpertreffer gegen Vorjahressieger Johannes Köder.