Dieser Fechtmeister besiegt Gegner mit nur EINEM STICH!

David Gill und Marcel Blanck mit Martin Fabian in der Mitte einer Sporthalle beim Seminar zur Ein-Stich Theorie

Ok, die Überschrift ist Clickbait, aber da Du nun schon hier bist: David Gill und Marcel Blanck, die Trainer unserer Abteilung für Historischen Europäischen Kampfsport (HEMA), hatten das Privileg, an einem ganztägigen Seminar zum Thema Stich mit Martin Fabian beim Historischen Fechten Rosenheim teilzunehmen.

Fabian ist eine der zentralen Figuren der internationalen HEMA-Szene und verbindet über zwei Jahrzehnte Erfahrung als aktiver Fechter mit seiner Tätigkeit als Schwertschmied und Instruktor. Er ist Gründer und Leiter der Bratislava Fencing Guild, Mitinitiator der slowakischen HEMA-Föderation FEBUS und Autor des umfassenden Fechtbuch Fabian, das als moderne Lehrquelle für das Langschwertfechten dient.

Wer einen Einblick von modernem HEMA bekommen möchte, kann gerne auf Martin Fabians Youtube Kanal vorbeischauen und es dort optimal repräsentiert vorfinden. Martins Kampfstil ist sehr effizient und ästhetisch wie dieses sehenswerte Sparring-Video beweist (Martin mit kurzer Hose):

Als langjähriger Spitzenfechter führte er 2018 die Weltrangliste im Langen Schwert an und gehört bis heute zu den weltweit anerkanntesten Turnierfechtern. In den letzten Jahren hat sich sein Fokus jedoch zunehmend auf die Vermittlung von Fechttechniken, das Schreiben und den Ausbau seines Unternehmens SIGI Forge verlagert, mit dem er hochwertige Sportwaffen für HEMA produziert. Trotz seines vollen Terminkalenders als Unternehmer und Lehrer nahm er sich die Zeit, um uns in einem intensiven Seminar seine Sichtweise auf taktische Effizienz im Fechten zu vermitteln.

Neue Perspektiven auf Fechtstrategien

Das Seminar begann mit einer humorvollen Bemerkung Martins: Er habe extra eine Pause beim Spielen des kürzlich erschienenen Mittelalter-Computerspiels Kingdom Come: Deliverance 2 eingelegt, um das Seminar abzuhalten. Dieser humorvolle Ansatz (obwohl es wahrscheinlich ist, dass es gar kein Witz war) schuf eine entspannte Atmosphäre und verdeutlichte seine Begeisterung für das Mittelalter und die historische Kampfkunst, sowie dass er trotz allem Erfolgs ein Nerd geblieben ist wie wir.

Nach einer vertiefenden Betrachtung von Schrittarbeit und Finten am Vormittag vermittelte Martin besonders seine darauf aufbauende Ein-Stich Theorie. Diese Theorie basiert auf Martins Analyse zahlreicher Fechtsituationen und besagt, dass oft ein einziger, präziser Stich zur richtigen Zeit und aus der richtigen Distanz ausreicht, um eine Aktion erfolgreich abzuschließen und Punkte zu erzielen – anstatt sich auf zu viele Variablen während des Kampfes einzulassen.

Prinzipien der Ein-Stich Theorie

1. Noise ausblenden

Anstatt sich in einer Vielzahl von Angriffsmöglichkeiten zu verlieren oder den Gegner übermäßig lange zu analysieren, ist es oft effektiver, sich auf wenige, gut trainierte Techniken zu beschränken. Die Konzentration auf einen kontrollierten, präzisen Stich zur rechten Zeit, reduziert kognitive Belastung und minimiert Fehlentscheidungen während eines Gefechts.

2. Timing und Distanz

Alles, was dann zählt, ist der Moment des Angriffs und die richtige Distanz. Der gerade Stich aus einer optimalen Distanz sollte gegen verschiedene Gegner und Gegnerverhalten zahllose Male geübt worden sein, um die Effizienz zu maximieren. Der richtige Zeitpunkt folgt den klassischen Fecht-Tempi, kann aber auch durch eine gezielte Falle mit subtilen, ködernden Bewegungen herbeigeführt werden – dazu bedarf es „very obvious bait“, wie Martin mit sehr charmantem ost-europäischen Englisch-Akzent immer wieder betont.

3. Schutz nach dem Treffer

Sobald der Stich trifft, ist der richtige Moment gekommen, sich zu schützen. Dies geschieht, indem die eigene Klinge mit der Spitze am Gegner zwischen sich und die gegnerische Waffe gebracht wird. Ein verfrühter Schutzversuch (z.B. ein abgewinkelter oder nicht zentraler Stich) kann den Stich verkürzen, destabilisieren oder verlangsamen und macht ihn anfällig für Paraden, Finten oder Umgehungen. Darum ist es wichtig erst so schnell, weit und gradlinig wie möglich zu treffen, nur um dann sofort defensiv zu werden.

Anwendung der Ein-Stich Strategie in unserem Training

Die gewonnenen Erkenntnisse werden systematisch in unser Training integriert. Dabei stehen folgende Schwerpunkte im Fokus:

  • Drills zur Optimierung von intuitiven Timing und Distanz Gefühl
  • Übungen zur situativen Anwendung der Ein-Strich-Strategie in Sparring-Szenarien
  • Taktische Konzepte zur Absicherung und Kontrolle nach einem Stich

Je nach Gegner ist der gerade Strich unter diesen Voraussetzungen eine sehr gute Wahl im Wettkampf. Jedoch kann sich der Gegner auch darauf einstellen, selbst einen ähnlichen Plan verfolgen oder schlicht eine gute Antwort für solche Angriffe gefunden haben. Jeder Fechter sollte darum mehrere Strategien, Taktiken und Techniken in der Hinterhand haben um unberechenbar zu bleiben und sich auf den Gegner einzustellen.

Fazit

Martin Fabians Ein-Stich Theorie bietet eine interessante Verbindung historischer Fechtprinzipien mit modernen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Durch die Fokussierung auf einen präzisen, durchdachten Angriff und eine konsequente Absicherung danach stellt sie eine fundierte und pragmatische Strategie für das moderne HEMA dar.

Wir danken Martin Fabian für seine tiefgehenden Einblicke in diese effiziente Fechtmethodik und freuen uns darauf, diese Prinzipien weiter in unser Training zu integrieren und zu verfeinern.